Vererbung

Dominante und rezessive Vererbung:

Die unterschiedlichen Gene, die ein Merkmal bestimmen, liegen in einer Art Wettstreit, welches von ihnen die Erscheinung des Hundes bestimmen darf und welches nicht. Dominante Gene sind die, die sich immer durchsetzen, unabhängig welchen Partner sie haben (leicht zu merken...); rezessive Gene sind die, die im verborgenen schlummern und sich erst zu erkennen geben, wenn kein über sie dominantes Gen ihr Partner ist! Ein reinerbig schokoladenbrauner Hund (bb) ist auch schokoladenbraun. Ein gemischterbig schwarz / schokoladenbrauner Hund (Bb) ist: schwarz! Schwarz ist dominant über braun. Und ein reinerbig schwarzer Hund (BB) ist ebenfalls rein schwarz. Bei der zweiten Mendelschen Regel, der Spaltungsregel (siehe Punkt 5), kommen nur zwei unterschiedliche Gruppen von Kindern heraus: schwarze und braune. Die schwarzen sind normalerweise in der Überzahl. Aber welche von ihnen reinerbig sind und welche nicht, weiß man nicht.

Beispiel für eine weitere rezessive, "verborgene" Vererbung:
Ein bei Züchtern bekanntes Beispiel für eine einfach rezessive Vererbung eines Krankheitsgens ist die Erblindung eines Hundes an LL (Linsenluxation) oder PRA (Progressive Retina Atrophie).

(Erklärung: Beide Augenkrankheiten kommen bei verschiedenen Hunderassen unabhängig voneinander unterschiedlich häufig vor. Bei den Tibet Terriern sind bereits Importhunde aus Tibet Genträger für Augenkrankheiten gewesen, wie man später festgestellt hat. Die Hunde, die auf beiden Allelen das krankmachende Gen tragen, erblinden - aber meist erst in fortgeschrittenem Alter, was die Registrierung der Genträger - die Eltern und evtl. vorhandene Kinder eines erblindeten Hundes - besonders schwer und die Bekämpfung der Krankheiten langwierig macht. Inzwischen ist die züchterische Bekämpfung dieser schweren Krankheit bei den Tibet Terriern im KTR so weit fortgeschritten, dass es praktisch keine Erblindungen mehr gibt.)

Beide Eltern eines erkrankten Hundes können selbst äußerlich völlig gesund sein, aber müssen trotzdem Genträger für die entsprechende Augenkrankheit sein. Die Krankheit tritt bei ihnen nicht auf, weil hier das Gen heterozygot vorliegt, symbolisch "Aa", und es sich rezessiv vererbt. Nur bei dem blinden Nachkommen liegt das Krankheitsgen homozygot vor, also "aa".

Für die Zucht ist wichtig:
Die beiden allelen Gene, die eine Eigenschaft bestimmen, werden bei der Bildung der Geschlechtszellen getrennt und nur eins der beiden weitergegeben. Es besteht jedes Mal eine Wahrscheinlichkeit von 50%, wenn ein Zuchthund Träger eines rezessiven Gens ist, dass er es an eines seiner Kinder weitergibt. Von einer Generation zur nächsten halbiert sich diese Wahrscheinlichkeit. Wenn z. B. in der Ahnentafel eines Hundes in der 3. Generation väterlicherseits ein Genträger bekannt ist, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 12,5 %, dass der Hund selbst ebenfalls Träger ist - vorausgesetzt, man weiß nichts über die Hunde dazwischen, das diese zusätzlich "belasten" würde. Jeder einzelne Genträger, der unabhängig von anderen in einer Ahnentafel zu finden ist, erhöht das Risiko entsprechend. Wenn aber mütterlicherseits, z. B. ebenfalls in der 3. Generation, ein weiterer Genträger bekannt ist, verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund selbst auch Träger ist, auf 25 %! Mehrere Genträger in einer Ahnentafel verstreut wirken wie Inzucht auf ein bestimmtes Gen, sie summieren sich zu einer immer höheren Gesamtwahrscheinlichkeit, dass ein Hund selbst Träger wird, je nachdem, wie viele Generationen dazwischen liegen. Weitere Genträger, die aber noch hinter einem bekannten Träger stehen, kann man natürlich nicht noch einmal dazuzählen!

 

Polygene Vererbung

Standard polygene Vererbung, Schwellenwert (Beispiel HD)

Manchmal bestimmt ein einzelnes Gen über ein Merkmal, meistens aber braucht es eine ganze Gruppe oder eine Vielzahl Gene für eine bestimmte Eigenschaft. Das nennt man Polygenie, oder polygenetische Vererbung. Viele Merkmale im Körperbau des Hundes sind polygen. Beispiel Hüftdysplasie: Wahrscheinlich über 20 verschiedene Gene sind dafür verantwortlich, ob ein Hund HD bekommt oder nicht. Die hier einmal angenommen etwa zwanzig Gene der beiden Elterntiere tun sich bei dieser Krankheit zusammen wie ein Schlüssel in einem Schlüsselloch, er muss auf mehreren Paaren "passen".
Aber erst, wenn angenommen etwa 10 der 20 Genpaare reinerbig "merkmalspositiv" sind, das heißt beidseitig in Richtung HD stehen, dann entwickelt der Hund erste Anzeichen von HD. Dass vorher noch nichts auf dem Röntgenbild zu sehen ist, auch wenn vielleicht sogar knapp die Hälfte der Gene beidseitig positiv sind, bestätigt die Erfahrung, die Züchter immer wieder machen müssen, dass auch phänotypisch HD-freie Hunde durchaus die Krankheit vererben können: und zwar mit der im negativen Sinne "passenden" Hündin, die ebenfalls einige (evtl. ja auch nur heterozygot vorliegende!) positive HD-Gene an denselben Genorten wie dieser Rüde hat und wenn sich dann die Gene der beiden bei ihren Nachkommen ungünstig mischen, so dass einer oder mehrere Kinder tatsächlich von beiden genügend HD-positive Gene abbekommen, so dass die Schwelle überschritten wird! Dann erst gibt es wirklich einen HD-Fall. Und es ist klar: Beide Eltern haben ihren Teil dazugegeben.

Dieses Phänomen nennt man Schwellenwert: Erst wenn ein bestimmter Schwellenwert in der Anzahl der reinerbig vorliegenden Gene für ein polygenes Merkmal erreicht ist, beginnt die entsprechende Krankheit sich auszuprägen: Der Hund hat HD. Umso wichtiger ist es, für Hunde, bei denen man (aus der Verwandtschaft heraus) eine gewisse genetische Veranlagung zur HD vermutet, nur Zuchtpartner zu suchen, die nicht nur selbst keine HD haben, sondern bei denen auch die Verwandtschaft (vor allem die Wurfgeschwister, eventuell vorhandene schon erwachsene Kinder und wenn möglich auch die Geschwister der Eltern) geröntgt und HD-frei sind!

Erschwerend für den Umgang mit der HD kommt hinzu, dass HD - aktuellen Schätzungen zufolge - nur eine relativ geringe Erblichkeit (Heritabilität) von ca. 10 - 60% hat, also ist die Ausprägung stark von der Umwelt, vor allem der Ernährung und Haltung des wachsenden Hundes, abhängig! Die Tibet Terrier sind zum Glück durch die HD kaum betroffen, sie ist bei ihnen als Krankheitsform sehr selten. Und selbst die wenigen Tibet Terrier mit mittlerer oder schwerer HD, die es gibt, müssen mit ihren schwachen Hüften im Leben keine wirkliche Belastung haben, wenn man sie nicht extrem körperlich fordert. Der Grund dafür ist rein mechanisch: Tibet Terrier sind aufgrund ihrer Herkunft aus dem höchsten Land der Welt eine leichtgewichtige und leichtknochige Hunderasse, und die Abnutzung und Bildung von Arthrose bei schlecht entwickelten Hüften ist geringer als bei schweren, schwerknochigen Hunden vergleichbarer Größe und erst recht bei großen Hunden. Züchterisch muß der HD trotzdem kontinuierlich entgegengearbeitet werden, damit der Anteil Hunde mit HD weiter mindestens so gering bleibt wie bisher. Aber auch jeder Hundehalter ist aufgerufen, zur Förderung der Entwicklung eines gesunden Knochenbaus seinen heranwachsenden Hundes eher knapp zu füttern und niemals dick werden zu lassen!